Käthe Wenn, geb. Schulz, war eine starke Frau.
Sie ging uns allen mächtig auf die Nerven.
Das war schon lange so, aber gewiss nicht immer. Als sie ein Mädchen war, hatte sie viele krause Ideen. Jedenfalls für damalige Zeiten. Sie liebte das Kinderspiel „Bockspringen“: Ein Kind beugt den Rücken, ein anderes springt darüber hinweg, indem es sich auf den gebeugten Rücken aufstützt und mit einer großen Beingrätsche drüber weg springt.
Wenn man 1901 geboren ist und lange Röcke trägt, muss man wirklich hoch springen und eine weite Grätsche machen. Sonst fallen beide Kinder um. Darum war es verboten. Und Käthe machte es natürlich trotzdem.
Blitzgescheit war sie. Die Höhere Handelsschule absolvierte sie mit Leichtigkeit und ging dann ins Büro. Von ihrem Geld sparte sie sich während der Wirtschaftskrise eine Aussteuer zusammen, deren Küchenhandtücher ich heute noch in Betrieb habe. „K.S.“, die Initialen von Käthe Schulz, stickte sie auf jedes von ihnen, und das waren viele.
Meine Großmutter hatte einen untrüglichen Sinn für Qualität. Ganz gleich, worum es ging, sie spürte wie ein Bernhardiner, ob eine Sache oder eine Person etwas taugte oder nicht. Und das war in Zeiten der Weltwirtschaftskrise und des aufkeimenden Nationalsozialismus ein Garant für Schwierigkeiten. Käthe war Sozialdemokratin, Pfarrfrau, Mutter und – eben qualitätsbewusst.